Hallo. Ich bin Seanchui und ich bin Rezensent. – Hallo, Seanchui!

Tja, nun ist es raus.

Ja, ich schreibe Rezensionen. Nicht nur hier auf diesem Blog, sondern auch für den Ringboten. Während ich diesen schockierenden Offenbarungseid einer imaginären Selbsthilfegruppe gegenüber leiste, fragt sich der eine oder andere Leser, was ich hier eigentlich tue, nicht wahr?

Nun, dafür muss ich Euch wohl eine kleine Geschichte erzählen. Sie beginnt bei den Blognachbarn von „Neue Abenteuer“ mit einem Rant über DSA. In Folge dieses Rants hat der betroffene Verlag Ulisses Spiele beschlossen, diesen Blog nicht mehr mit kostenlosem Rezensionsmaterial zu versorgen. Eine entsprechende Erklärung seitens der Blogbetreiber findet sich HIER.

Nachdem sich – natürlich – zunächst ein Sturm der Entrüstung über den furchtbaren Finanzhai Ulisses anbahnte, die offensichtlich und ganz erheblich Einfluß auf die Rezensionen ihrer Produkte nehmen wollten (an dieser Stelle möchte ich meiner persönliche Meinung über den Vorgang nicht weiter vertiefen, da sie für den weiteren Artikel irrelevant ist), schlich sich alsbald in die verschiedenen Diskussionen – sei es bei den Blogbeiträgen oder später auch im Tanelorn – mehr und mehr ein Vorwurf vieler Beteiligten an die Rezensenten ein.

Wer Rezensionsexemplare nimmt, macht sich abhängig. Wer Rezensionsexemplare nimmt, schreibt viel zu freundlich über die jeweiligen Produkte, denn er kann nicht mehr neutral sein. Niemand beißt die Hand, die einen füttert. Nur, wer unabhängig und selbstkäuferisch tätig bleibt, kann WIRKLICH eine objektive Meinung zu einem Produkt fassen. Dazu kommt, dass sich Hinz und Kunz als Rezensenten bezeichnen, egal ob sie journalistisch geschult sind oder nur gerade mal zwei Sätze gradeaus schreiben können. Es ist ein Trauerspiel mit den deutschen Rollenspielrezensionen, ein Trauerspiel. Und vor allem gibt es einige von Euch da draußen, die Gott sei Dank den Absprung geschafft haben und NICHT mehr rezensieren.

Ich aber bin mittendrin. Was tue ich damit nun? Am Besten, ich teile Euch MEINE Sicht der Dinge mit, damit Ihr wisst, was Euch erwartet, wenn Ihr eine Rezension auf diesem Blog lest.

1. Ja, ich nehme Rezensionsexemplare
Längst nicht allen Rezensionen auf diesem Blog liegt ein Rezensionsexemplar zugrunde. Allerdings gilt das für die meisten für den Ringboten verfassten Rezensionen. Auch hier rezensiere ich gerne gekauftes Material, aber ich könnte es mir nie leisten, für den dort von mir gestemmten Artikeloutput auch tatsächlich eingekauft zu haben.
Wirkt sich das auf meine Rezensionen aus? Nein. Ich gebe zu, dass sicherlich der Aspekt des „Und-dafür-habe-ich-Geld-ausgegeben???“-Aufregens unter den Tisch fällt. Gar keine Frage. Aber ich war mir nie zu schade, Dinge die MICH wirklich störten auch anzusprechen. Ich erinnere mich an rege Diskussionen über Produktpolitik, über Design. Ich erinnere mich an harsche Kritik zu einzelnen Abenteuern, an mahnende Worte zu Produktplanungen und an Kritik zu gewählten Bildmotiven. Ich erinnere mich an Umfragen und meine Kritik an Ihnen und ich erinnere mich an einige Produkte, die in meinen Rezensionen nicht wirklich gut weggekommen sind.
Was hat das zur Folge? Natürlich nichts. Niemand schneidet mich, hasst mich, oder streicht mich von irgendwelchen Rezensionsexemplar-Listen, weil ich ein Produkt verrissen habe. Tatsächlich habe ich gerade im Bereich Cthulhu den regen Austausch mit der Redaktion gesucht und schätzen gelernt. Und viele Autoren oder andere Verantwortliche lechzen geradezu nach Feedback und nehmen auch negative Kritik entgegen. Doch auch abseits von CTHULHU habe ich durchaus negative Rezensionen verfassen müssen. Aber nie hat irgendein Verlag daraufhin die Freundschaft gekündigt. Nie.

2. Meine Rezensionen haben keinen Anspruch auf absolute Objektivität
Das ist vielleicht der wichtigste Punkt. Ich versuche, möglichst viele objektive Bewertungskriterien zu finden. War das Lektorat gut? Wie ist die Verarbeitung des Buches? Wie umfangreich ist das Hintergrundmaterial, wie spieltischnah ist es aufbereitet? Wie umfangreich ist das Regelwerk und/oder wie gut sind die Regeln beschrieben? Das sind alles Dinge, die man relativ objektiv betrachten kann. Und ich versuche, all diese Dinge in meinen Rezensionen zu berücksichtigen. Aber natürlich spielt der persönliche Geschmack in der Endnote immer eine Rolle.
Mir gefällt z. B. das düster-schwurbelige-Atmosphäre-Geblubber vieler deutscher CTHULHU-Abenteuer. Nicht unbedingt in der Aufbereitung (auch hier gab es manche Kritik), sehr wohl aber in seiner Herangehensweise an den Mythos. Ja, ich lese von vielen Usern, die gerade deswegen NICHT Cthulhu spielen. Aber mich spricht es an, es war der Grund für mich, diesen Blog anzulegen. Damit stehe ich vielen Publikationen natürlich mit einer gewissen „positiven Grundeinstellung“ gegenüber, die andere womöglich Kopfschütteln lässt. Aber: es ist schlicht das Ergebnis meines persönlichen Geschmacks und hat nichts mit Anbiederei an Verlage zu tun, um ja weiterhin Rezensionsexemplare zu erhalten!

3. Meine Rezensionen sind kurz und umfassen nur wenige Punkte
Ich versuche, meine Rezensionen kurz zu fassen. Ich ertappe mich selbst oft dabei, wie ich bei langen, langen, langen Rezensionen irgendwann den Faden verliere und dann doch zum Fazit scrolle – egal, wie interessant ich das zu besprechende Produkt eigentlich finde. Da ich fürchte, dass es manchem Leser so gehen könnte, möchte ich mich kürzer halten. Was findet Ihr aber in meinen Rezensionen?
Zunächst normalerweise eine kurze Einleitung über das Produkt. Wann und in welcher Konstellation ist es erschienen? War es ein Crowdfunding? Oder das Ergebnis eines Abenteuerwettbewerbs? Als nächstes folgt dann eine Inhaltsangabe. Im Falle eines Regelwerkes spreche ich auch grob darüber, WIE die Regeln überhaupt funktionieren und welche Aspekte „besonders“ sind – bei CTHULHU wären das z. B. die Regeln für Geistige Stabilität, bei SYMBAROUM z. B. der Umstand, dass der Spielleiter NIE würfelt. Nach der Inhaltsangabe formuliere ich normalerweise meine Meinung über das Produkt, welche Stärken und Schwächen in meinen Augen gegeben sind und wer vielleicht lieber die Finger davon lassen sollte. Zuletzt spreche ich meist kurz über Verarbeitung und Layout, lobe oder kritisiere die Bebilderung und lasse einen Satz über das Lektorat fallen. Ein abschließendes Fazit rundet die Rezension ab. All das zusammen kommt normalerweise auf ca. einer A4-Seite unter.

4. Ich rezensiere nichts, an dem ich beteiligt bin
Seit einiger Zeit versuche ich mich hin und wieder als Autor. Da gibt es einige Ausgaben von „Cthulhus Ruf“, in denen ich namentlich geführt werde. Und in irgendeiner Zukunft werden wohl die Siegerabenteuer des letzten Pegasus-Wettbewerbes (bei dem ich den zweiten Platz belegen konnte) veröffentlicht werden.
Ja, ich spreche auf diesem Blog auch über diese Produkte, stelle sie vor, plaudere aus meinem Nähkästchen. Aber ich werte sie nicht. Und die Artikel heißen auch nicht „Rezension“. Und natürlich weise ich in jedem dieser Artikel darauf hin, dass ich an der Publikation irgendwie beteiligt war oder bin. Ich hoffe, so möglichst transparent zu bleiben.

Irgendwann mag – zumindest in Bezug auf CTHULHU – der Punkt erreicht sein, an dem man mir meine Objektivität nicht mehr abkauft. Wenn z. B. mein Name erstmals in einer offiziellen Publikation auftaucht, wird man mir eine direkte Verlagsnähe attestieren, die meine Neutralität unbedingt untergraben muss. Wenn es soweit ist, werde auch ich meine Neutralität und meine Rezensionsfähigkeit für die Produktlinie „CTHULHU“ kritisch hinterfragen müssen. Aber seid versichert, dass ich bis dahin versuche so neutral, offen, ehrlich, kritisch oder lobhudelnd wie es mir MEINE Meinung gestattet, über Cthulhu-Publikationen zu berichten.

Ich hoffe, wir lesen uns
Seanchui

3 Kommentare zu “Hallo. Ich bin Seanchui und ich bin Rezensent. – Hallo, Seanchui!

  1. Moin Seanchui. Vielen Dank für den Einblick.
    Ich nehme den Artikel von Dir mal in meine Übersicht auf, die ich in meinem Blogbeitrag zu dem Thema erstellt habe.
    Ich halte es für einen durchaus lesenswerten Bestandteil eines Blogs, wenn dieser sich über Publikationen auslässt, die in sein Interessensfeld passen. Aber immer dann, wenn eigentlich kostenpflichtige Exemplare kostenlos für die Gegenleistung einer Rezension abgegeben werden, muss man sich als Blogger die Frage gefallen lassen, wie unabhängig man ist. Für einen Leser wird das schwer zu beantworten sein. Man kann anderer Meinung sein oder eben auch nicht, alles ist subjektiv. Wichtig ist, dass sich der Blogger das beantwortet und seine Konsequenzen daraus zieht.
    Das Ideal sieht für mich so aus, dass diese Frage gar nicht erst aufkommt, weil es die Konstellation dahinter nicht gibt.

    • Hallo Markus,

      in meinen Augen stellt das Abgeben von Rezensionsexemplare eben keine „Abhängigkeit“ zu dem jeweiligen Verlag her. Tatsächlich sehe ich mich in einer Rolle „zwischen den Stühlen“ -> ich möchte den Leser so ehrlich wie möglich berichten, ggfls. warnen und ich möchte dem Verlag so ausführlich wie nötig Feedback über seine Arbeit geben. Das mir für diese „Arbeit“ als „Entlohnung“ ein Rezensionsexemplar überlassen wird, erachte ich nicht als schadhaft und/oder irgendwie einflussnehmend. Tatsächlich unterscheiden sich meine Rezensionen gekaufter Ware nicht von Rezensionen, denen ein Rezensionsexemplar zugrunde liegt.
      Ich bin allerdings, und das muß ich mir wohl wirklich vorwerfen lassen :-), gerne „zu weich“ in meiner Meinung. Ich erkenne in dem meisten Rollenspielmaterial den guten Willen und die Mühe, die sich die Autoren gegeben haben und die liebevolle Aufbereitung durch Layouter/Grafiker. Das sind Punkte, denen ich stets auf neue Respekt zolle, und die mein persönliches Fazit oft etwas rosarot färben… Doch das trifft – wie gesagt – auf die meisten Publikationen zu, mit denen ich mich beschäftige. Unabhängig vom Bezugsweg.

      Viele Grüße
      Seanchui

  2. Pingback: Zwischen den Jahren… Version 2016 – Seanchui goes Rlyeh

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