Rezension: Gatsby und das große Rennen

gatsbyEs gibt Rollenspielabenteuer, die sind alles andere als alltäglich. Dann gibt es Rollenspielbücher, die ebenfalls mit allen gewohnten Standards brechen. Und dann gibt es die deutsche Ausgabe von „Gatsby and the great race“ – „Gatsby und das große Rennen“ – die beide Aspekte vereint: ein äußerst ungewöhnliches Szenario in einem ungewohnten Format. Auch, wenn das Werk noch relativ neu ist, so ist doch von offizieller Seite längst ausverkauft und wird auf EBay zu einem hohen Kurs gehandelt. Doch lohnt sich die Anschaffung überhaupt? Meine persönliche Meinung zu diesem Thema möchte ich in den nächsten Zeilen darlegen.

Inhalt

Bevor wir uns mit der Verarbeitung und Aufmachung beschäftigen, wollen wir doch erst einmal besprechen, was sich überhaupt zwischen den schick designten Buchdeckeln befindet. „Gatsby and the great race“ ist ein im englischen im Reihe der „M.U. Monographs“ veröffentlichtes Szenario. In dieser Reihe veröffentlich Chaosium letztendlich Fanmaterial, das vom Verlag nur noch grob regidiert wird und ansonsten in der Hand der Fans liegt. Für die deutsche Übersetzung wurde das Material umfangreich überarbeitet, ergänzt und erweitert – so bringt es die deutsche Ausgabe auf 184 Seiten im Vergleich zu den 120 englischen.

Die eigentliche Handlung des Szenarios ist kurz und wäre rasch erklärt – allerdings ließen sich kaum Spoiler vermeiden. Es genügt zu sagen, dass die Spieler als Gäste bei einer Gartenparty des Hausherren Julian Gatsby eingeladen sind. Während sie gespannt einem Reporter im Radio lauschen, der ein Pferderennen kommentiert, verläßt sie ihr Gastgeber, um kurz zu telefonieren… mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden.

Neben der Beschreibung der eigentlichen Handlung setzt sich das Buch noch aus drei weiteren Teilen zusammen: zwei Teile beschäftigen sich mit den verschiedenen Möglichkeiten, das Szenario zu spielen. Einmal wird die „normale“ Tischversion mit einer Rollenspielgruppe erläutert. Das andere Kapitel aber setzt sich mit der eigentlichen Besonderheit des Szenarios auseinander: der Multi-Gruppen-Variante. „Gatsby“ ist darauf ausgelegt, mit mehreren Spielleitern und Spielgruppen gleichzeitig zu funktionieren und stellt einige sehr interessante Ideen, Konzepte und Regelmechanismen vor, um ein wahrlich beeindruckendes, an LARP gemahnendes Spielererlebnis zu ermöglichen. Das letzte, umfangreichste Kapitel liefert dann die nötigen Spielmaterialien: Handouts, Pläne, Photographien und wahnwitzig viele vorgefertigte Spielercharaktere.

Der deutschen Ausgabe liegt ausserdem noch eine CD-Rom bei, die neben dem Szenario als PDF auch gleich noch schick aufgemachte Handouts, Tonnen von Bildmaterial, zeitgenössische Musik und sogar Tonspuren für das Pferderennen, dem die Spieler lauschen können, mitliefert.

Aufmachung

Die Aufmachung von „Gatsby und das große Rennen“ ist schlicht und ergreifend bombastisch. Ein dicker A5-Hardcover-Brocken in edelstem Design, in einer ungewöhnlich türkisen Färbung. Dazu ein blass-durchsichtiger Schutzumschlag, sogar an ein Lesebändchen wurde gedacht. Das Layout ist bewußt schlicht und damit unglaublich elegant. Die geschwungene „Cthulhus Ruf“-Schrift ziert alle Überschriften, die weitere Schrift ist groß und hervorragend lesbar. Das Papier ist unglaublich dick und sorgt für höchste Stabilität und eine hervorragende Haptik. Das Buch ist nur wenig bebildert, doch das macht die Zusatz-CD wieder wett.

Man merkt jeder einzelnen Seite das Herzblut an, dass in dieses Projekt geflossen ist. Insbesondere die Bonus-CD-Rom enthält Schmankerl für jeden begeisterten Cthulhisten. Großartig.

Kritik

Das Spielmaterial ist vorbildlich aufbereitet, das Buch von beeindruckender Materialqualität und dank der CD-Rom läßt auch die Materialfülle keine Wünsche offen. Dennoch bin ich von dem Buch nicht 100%ig überzeugt.

„Gatsby und das große Rennen“ entfaltet seine Wirkung eindeutig in der Multi-Gruppen-Variante, wo das Szenario auf bis zu 24 Spieler und 8 Spielleiter ausgelegt ist. Sicher macht es auch schon mit 12 Spielern und 4 Spielleitern viel Spaß. Es gibt einige Berichte zu den sehr erfolgreichen und von vielen Spielern bejubelten „Gatsby“-Runden, die nicht zuletzt im Rahmen der DCC stattfanden. Ich habe diese legendären Veranstaltungen nicht besucht, doch ich glaube – nicht zuletzt nach der Lektüre des Buches – dass sich viele tolle Dinge mit dem Plot und dem Material anstellen lassen.

Aber: die Handlung des eigentlichen Szenarios ist dünn. Es lebt eigentlich ausschließlich von den Aktivitäten der Spieler, ohne viel Eigendynamik zu entwickeln. Das mag ein Vorteil sein, kann bei einer wenig enthusiastischen Gruppe aber rasch zum Rohrkrepierer werden. Auch die Konsequenzen bestimmter Handlungen werden nur nebulös behandelt – die Einbindung cthuloider Schrecken obliegt sogar komplett dem Spielleiter. In der Einzelgruppenvariante gäbe es einige Szenarien, die ich dem „Gatsby“ vorziehen würde.

Fazit

Ein Fazit. Was bleibt? Ein aussergewöhnliches Multi-Gruppen-Szenario in einer ausserordentlich vornehmen und hochwertigen Aufmachung mit tollen Extras und hervorragender Verarbeitung. Als Einzelgruppenszenario ist mir der „Gatsby“ allerdings zu dünn. Und so muß wohl jeder die Frage für sich beantworten, ob er genügend Spieler für die spannende Variante zusammenbekommt, oder ob er mit dem „Gatsby“ nur ein – wenn auch ausgesprochen edles – Sammlerstück für das Bücherregal erwirbt. Ich verzichte bei diesem Werk auf meine übliche Sterne-Wertung, sind doch die beiden Varianten zu verschieden, um eine faire Durchschnittswertung zu ermöglichen.

2 Kommentare zu “Rezension: Gatsby und das große Rennen

  1. Ich war bei einer dcc gatsby multigruppenrunde dabei und muss sagen, dass ich aus dem staunen, lachen und schlussendlich verwirrt sein, nicht mehr heraus kam. Diese eindrücke wechselten sich schlag auf schlag ab. Noch lange nach der spielrunde war meine geistige Stabilität gefährdet. Ich gebe dir aber in deiner bewertung recht, dass es als einzelgruppenspiel wohl weniger geeignet ist.

  2. Pingback: Nach-Ruf: Good Bye, Cthulhus Ruf – Seanchui goes Rlyeh

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