Rezension: Prag – Die Goldene Stadt

Pünktlich zum dreißigjährigen Jubiläum von „Cthulhu“ in Deutschland erschien bei Pegasus „Prag – Die Goldene Stadt“ – der lang erwartete nächste Städteband für das Horror-Rollenspiel. Nach Wien, New York und dem Lovecraft Country darf nun also auch Prag cthuloid erobert werden. Wie gelungen ist der Ausflug?

„Prag – Die Goldene Stadt“ ist der letzte von Daniel Neugebauer redaktionell betreute Band, der nicht nur mit „Cthulhu Gaslicht“ einen hervorragenden Eindruck hinterließ, sondern auch maßgeblich an dem langjährigen „Cthulhu“-Fanzine „Cthulhus Ruf“ beteiligt war. Szenekennern dürfte er darüber hinaus durch den „System Matters“-Podcast – und inzwischen auch den gleichnamigen Verlag – bekannt sein. Bevor wir aber Vorschusslorbeeren verteilen, werfen wir einen Blick auf den Inhalt.

„Prag – Die Goldene Stadt“ beginnt mit einem kurzen Geschichtsabriss über die Entwicklung Prags von seiner Gründung bis hin zu den 1920ern. Es schließt sich der obligatorische Stadtrundblick und eine ausführliche Stadtbeschreibung an. Dabei werden auch – gerade für Investigatoren auf Cthulhus Spur wichtige – Örtlichkeiten wie Krankenhäuser und Sanatorien ausführlich vorgestellt. Dem Mythos in Prag ist schließlich ein ganz eigenes Kapitel gewidmet, in dem auch versucht wird, bekannte Prager Legenden – wie den Golem – mit dem Cthulhu-Mythos zu verbinden.

Die zweite Hälfte des Bandes ist dann Abenteuern gewidmet. „Die Goldene Stadt“ ist eine umfangreiche Kampagne, welche die in Prag – gerade im Mittelalter – allgegenwärtige Alchemie in den Vordergrund stellt. Umfangreiche Regelergänzungen zum Einsatz von Alchemie als Mythosmagie leiten die Kampagne ein. Die Kampagne selbst beschäftigt sich mit verschiedenen Alchemisten-Zirkeln und Geheimbünden, die miteinander um die Vorherrschaft ringen. Und natürlich mit einer cthuloiden Wesenheit, die höchstselbst für den Untergang Prags sorgen wird, wenn die Investigatoren ihr nicht Einhalt gebieten. Das eigenständige Abenteuer „Das Lodern unter der Stadt“ wiederum rundet den Band ab und kommt deutlich klassischer daher. Dafür spielt es geschickt mit historischen Motiven und Prager Örtlichkeiten und wirkt so sehr rund in den Hintergrundteil eingebettet.

Manche „Cthulhu“-Bände müssen sich die Kritik gefallen lassen, dass sie oft an langweilige Reiseführer erinnern, deren transportierte Informationen der Leser auch problemlos im Internet erhalten könnte. Für „Prag – Die Goldene Stadt“ gilt dieser Vorwurf sicherlich nicht. Man merkt den Autoren deutlich an, dass sie bemüht sind, dem Spielleiter wertvolles Spielmaterial an die Hand zu geben. So sind zahlreiche kurze Szenarioanregungen in den Hintergrund eingebaut, doch auch an Zufallstabellen für Begegnungen oder Gegenstände, Spielwerte wichtiger Persönlichkeiten oder die Fokussierung auf spielrelevante Örtlichkeiten wurde gedacht. Leider ergeben sich durch die schiere Menge unterschiedlicher Materialien teilweise generische und auch langweilige Ideen oder gar unpassende Zufallstabellen. Auch die verschiedenen Mythosansätze – die Fixierung auf Alchemie oder das Aufgreifen des Werks Kafkas – bleiben Stückwerk und wirken nicht wie aus einem Guss. So bleibt der Hintergrundteil leider wiederum ein gutes Stück zu lang geraten, wieder sind dann doch wichtige Informationen im Fließtext versteckt. Nichtsdestotrotz ist es ein großer Schritt weg von den trockenen Textwüsten, die manchen „Cthulhu“-Quellenband auszeichneten.

Die Aufbereitung der Abenteuer ist wiederum vorbildlich gelungen. Gerade die Kampagne „Die Goldene Stadt“ glänzt mit zahlreichem Zusatzmaterial wie den Regelergänzungen für Alchemie, Zufallstabellen, Kurzszenarien – die jederzeit eingestreut werden können – oder auch reichlich Tipps und Tricks, um Leerlauf zu vermeiden. Das ändert aber nichts daran, dass die Kampagne für den Spielleiter eine große Herausforderung darstellt, denn die Szenarien sind sehr eng miteinander verzahnt. So gilt es zum Beispiel schon früh, eigenständig später wichtige Personen einzuführen, damit die Investigatoren auch wirklich in die Handlung eingebettet sind. Das bedeutet, dass der Spielleiter eigentlich die komplette Kampagne im Vorfeld durchplanen muss und gleichzeitig flexibel genug bleiben muss, um den Spielern kein zu enges Korsett zu schnüren. Eine herausfordernde Aufgabe – wer sich aber darauf einlässt, wird mit einem wirklich denkwürdigen Ausflug nach Prag belohnt.

„Prag – Die Goldene Stadt“ erscheint als stabiler Hardcoverband, dem darüber hinaus ein Lesebändchen spendiert wurde. Er ist reichhaltig bebildert, im gewohnten „Cthulhu“-Layout designt und wiederum sind die zu den Abenteuern gehörenden Handouts eine wahre Augenweide. Schön ist auch, dass an viele Karten für Schauplätze gedacht wurde. Lektorat und Korrektorat haben einen gewohnt guten Job gemacht. Handwerklich erhält „Prag – Die Goldene Stadt“ damit abermals eine gute Note.

Fazit: „Prag – Die Goldene Stadt“ lässt mich ein wenig zwiespältig zurück. Das Setting ist durchaus interessant und brauchbar beschrieben, die Kampagne und das anschließende Abenteuer sind herausfordernd aber gelungen. Auch das Bemühen der Autoren, mehr „Spiel“material unterzubringen, ist lobend zu erwähnen. Leider wird dabei – in meinen Augen – einige Male übers Ziel hinaus geschossen, und manchmal wäre weniger mehr gewesen. Nichtsdestotrotz bleibt ein guter Quellenband mit einem hervorragenden Preis-Leistungsverhältnis.

PS: Diese Rezension erschien ursprünglich auf Ringbote.de

PPS: mehr „Spielermaterial“ für Prag findet sich übrigens auch in Form eines kleinen Reiseführers hier auf diesem Blog!

9 Kommentare zu “Rezension: Prag – Die Goldene Stadt

  1. Ich habe den Band in meinem kontrovers diskutierten Railroading-Artikel erwähnt und dort darauf hingewiesen, dass ich ihn noch rezensieren muß :-). Vielleicht meinst Du das…? Die Veröffentlichung der Rezi erfolgt HIER aber erstmals (und halt vorher schon auf dem Ringboten).

    Und ja, der Band hat schon ein paar Tage auf dem Buckel. Ich bin aber auch als „freischaffender Künstler“ nicht immer gaaanz so schnell im Durcharbeiten. Außerdem erfolgt die Veröffentlichung meiner Rezis zumeist ERST auf dem Ringboten, dann später hier (als Zweitverwertung).

  2. Welchen Sinn hätte es wenn Seanchui seine Aussage nicht wahrheitsgemäß wiedergeben würde? Es würde sich keinerlei Vorteil o.ä. für ihn ergeben und somit finde ich den Post überflüssig.
    @Seanchui: Danke für den ausführlichen Bericht. Wieder einmal habe ich hier eine ausführliche Beschreibung eines Produktes bekommen, ohne das es in einer verlagsorientierten Produktwerbung endet.

  3. Also, ich erkenne bei Andreas keine Unterstellungen sondern nur ernsthafte Irritation :-). Die herrschte bei mir allerdings auch, aber ich weiß nun, wo Du es gelesen haben könntest:

    http://www.foren.pegasus.de/foren/topic/27365-prag-die-goldene-stadt/?p=505831

    Ich habe Teile meiner Rezension als Meinungswiedergabe im Cthulhu-Forum geposted, bereits damals, als ich sie für den Ringboten schrieb. Vielleicht hast Du es dort gelesen…?

    @Hasturs Erbe: Danke, ich gebe mir redlich Mühe 🙂

    • Meine Irritation wird immer größer… Ich glaube nicht, dass ich je vorher im Pegasus-Forum unterwegs gewesen bin. In jedem Fall aber war es nicht jener Post, an den ich mich erinnere, da hier die Passage mit dem Golem fehlt, desen Erwähnung sich mir besonders eingeprägt hat.

      Vor allem aber ist in meiner – dann wohl fehlerhaften – Erinnerung dieser Band schon deutlich vor Herbst letzten Jahres erschienen! Es gab einen Zeitpunkt, zu dem ich mir „neuere“ Cthulhu-Erscheinungen angesehen hatte und dabei auch auf dieses Buch gestoßen war, und den kann ich in meiner persönlichen Timeline allerfrühestens 2015 verorten. Eine Neuauflage ist der Band aber nicht, so weit ich das erkennen kann – oder?

      …bin ich da irgenwie in ein Paralleluniversum geraten?

      • Aaalso…

        der Band ist tatsächlich erst von Herbst letzten Jahres. Zur SPIEL erschienen, wenn ich mich recht entsinne. Er ist keine Neuauflage.

        Das Thema „Golem“ wird aber auch im Abenteuer-Band „Upton Abbey“ behandelt, da hier ein Support-Abenteuer drin ist, das „Golem“ heißt und für den Prag-Band geschrieben wurde.

        Ich habe eben mal gesucht: außerhalb des Prag-Bandes und Upton Abbey wird das Wort „Golem“ auf meinem Blog nie erwähnt :-).

        Was aber sein KANN: mir ist schon einmal aufgefallen, dass meine Texte zweitkopiert wurden (natürlich ohne zu fragen). Finde ich per se nicht so wahnsinnig schlimm, wenn auch unschön. Vielleicht bist Du ja an irgendeiner Ebay-Auktion vorbeigesurft, die den Text verwendet hat (habe ich z. B. schonmal gesehen).

  4. Es bleibt spannend!

    Deine Upton Abbey Rezension habe ich, denke ich,.gelesen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir allerdings nur „Gehetzt“, aber wer weiß, was mein Unterbewusstsein alles zusätzlich abgespeichert hat…

    Ich glaube aber schon, dass ich eine Rezension gelesen habe (und meinem Gefühl nach von Dir), in der sowohl der Golem, als auch die Fixierung auf das Alchemie-Thema ausdrücklich errähnt wurde, ebenso wie der Hinweis auf die Krankenhäuser und Sanatorien, und ausdrücklich der Abenteuertitel „Das Lodern unter der Stadt“, und „Nach Wien, New York…“ ach, einfach alles halt!

    Der Knoten lässt sich wohl nicht lösen. Vielleicht hat wirklich jemand Deine Rezension aus dem Ringboten kopiert, und vielleicht habe ich ein immer noch schlechteres Zeitgefühl, als mir sowieso schon bewusst ist…irgendeine Erklärung muss es ja geben.

    Aber gleich mal eine Frage: In diesem Band sind insgesamt vier Abenteuer drin, habe ich bei Amazon gelesen. Der Golem ist aber nicht dabei, oder?

    • Also, ich weiß es jetzt wirklich nicht mehr :-). Viele Ringboten-Rezensionen landen irgendwann auf Amazon (dort gibt es einen Ringboten-Account, der die Rezis zweitverwertet), aber meine Prag-Rezi im Speziellen habe ich dort nicht gefunden.

      Im Band sind eine Kampagne mit vielen Kurz-Abenteuern (1-2 Seiten, ich glaube 8-9 an der Zahl) und mehreren „großen“ Abenteuern (vier oder fünf, ohne nachzusehen) – allesamt sehr eng miteinander verzahnt – sowie ein eigenständiges, kampagnen-unabhängiges Abenteuer (Das Lodern unter der Stadt). Der Golem ist nicht hier enthalten.

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