Das Autorennähkästchen VI: 99 Verdammte

Hallo zusammen,

wie treue Leser dieses Blogs sicherlich wissen, bin ich seit einiger Zeit Mitglied im Autorenteam für das deutsche CTHULHU. Und wie es halt so üblich ist, möchte ich Euch ein wenig an dem kreativen Prozess teilhaben lassen, der hinter einer Publikation steht, in der ich meinen Namen unterbringen konnte. In diesem Fall ist das der neueste Quellenband „99 Verdammte“, der eben so viele spielfertige Investigatoren enthält.

Als die ersten Ideen rund um diesen Band auftauchten, war ich sofort Feuer und Flamme. Ich liebe es, an Material abseits des „cthuloiden Mainstreams“ zu arbeiten. Also war es für mich eine Selbstverständlichkeit, mich für die Mitarbeit an dem Band zu bewerben. Zu meinem großen Glück stellte Redakteur Marcel sein Team sehr schnell zusammen und gab uns Autoren den Startschuss, so dass ich keine große Bewerbungsphase brauchte.

Um die Arbeiten konsistent zu halten, verteilte unser Redakteur eine Vorlage, an die wir Autoren uns halten sollten und bat uns, uns aus einer Liste aller (für CTHULHU) verfügbaren Berufe zunächst 10 Investigatoren auszusuchen. Und dann ging es auch schon los. Der erste Schwung Investigatoren lief mir noch sehr flüssig aus der digitalen Feder, wenn ich mich recht entsinne. Es machte einfach einen großen Spaß, sich Lebensgeschichten und Motivationen völlig unterschiedlicher Charaktere auszudenken. Schlußendlich ist das natürlich auch einer der Aspekte, den wir alle beim Rollenspiel so sehr lieben – das nun direkt mehrfach für verschiedenste Investigatoren zu machen, hat wirklich Spaß gemacht.

Die nächsten Runden beinhalteten dann 5er-Blöcke, um die Schreibarbeit halbwegs gleichmäßig unter allen beteiligten Autoren zu verteilen. Ich muss zugeben, dass das aufgrund unterschiedlicher Faktoren – Inbeschlagnahme mit anderen Projekten, Arbeitstempo und Jahreszeit (die Arbeiten fanden um den Jahreswechsel herum statt) – eine gleichmäßige Aufteilung nicht geklappt hat. Peter und ich haben wohl jeder die meisten Investigatoren beigesteuert, auch, wenn ich irgendwann auf einzelne Lücken in der Berufe-Liste ausgewichen bin und keine ganzen Blöcke mehr abgeliefert habe. Aber das war ja dank des Spaßes an den Texten kein Problem :-).

Also besonderes „Easter-Egg“ habe ich die beiden Charaktere, welche zu Beginn der Corona-Pandemie ihre furchtbaren Erlebnisse im Rahmen einer „De Profundis“-Runde ausgetauscht haben (ich berichtete) in Investigatoren verwandelt und sie in diesem Band verewigt. Es ist diese persönliche Note, die mich wohl am meisten an dem Band freut, auch, wenn die Beschäftigung mit jedem Investigator Spaß gemacht hat.

Wie immer hoffe ich, dass Ihr viel Freude an unseren „99 Verdammten“ haben werdet. Wie immer freue ich mich über Feedback jedweder Art (Wie gefällt Euch der Band? Habt Ihr schon einen der Investigatoren genutzt? Was hätten wir besser machen können?), gerne auch hier auf dem Blog!

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Rezension: Rückkehr nach Halloween

„Cthulhu“ ist ein Horror-Rollenspiel, Halloween hatte schon immer eine Gruselattitüde. Da bietet es sich doch an, beide Namen miteinander zu verbinden. Der vorliegende Band versammelt gleich drei Abenteuer, die sich der Nacht vor Allerheiligen jeweils auf ihre eigene Art annehmen.

Bereits vor zwei Jahren veröffentliche Pegasus den Abenteuerband „Halloween“, welcher sich erstmals der Melange aus cthuloidem Horror und halloweenschem Grusel widmete. Nun liegt – passend mit „Rückkehr nach Halloween“ betitelt – ein zweiter Band vor, welcher sich diesem Feiertag widmet. Steuerte Autor Oscar Rios bereits im ersten Band ein Abenteuer bei, so stammen nun alle drei Abenteuer aus seiner Feder – im finalen „Halloween Candy“ unterstützt von Walter Attridge. Und Achtung: Die folgende Rezension enthält Spoiler! Spielern sei daher angeraten, bis zum Fazit vorzuspringen.

Eröffnet wird der gruselige Reigen mit „Nutzlos zu Halloween“. Der Titel verrät vielleicht, dass es sich um ein Szenario handelt, welches mit der nötigen Portion Humor daherkommt. Die Investigatoren sind Studenten an der renommierten Miskatonic University. So haben sie Gelegenheit, an der Eröffnung einer ägyptischen Wanderausstellung teilzunehmen. Dumm nur, dass bei dieser Gelegenheit ein Kommilitone einige Schmuckstücke mitgehen lässt, welche er auf der am Abend stattfindenden Halloween-Party zur Komplettierung seines Kostümes nutzen will. Denn dieser Diebstahl gefällt der zur Ausstellung gehörenden Mumie, welche längst nicht so tot ist wie gedacht, überhaupt nicht. In der kommenden Nacht wird sie alles daransetzen, den Schmuck zurückzuerhalten.

Weiter geht es mit „Die Masken von Halloween“, dem wohl klassischsten Abenteuer im Band. Hier besuchen die Investigatoren das beschauliche Städtchen Willowton, in dem ein großes Halloween-Festival geplant ist. Der ganze Ort ist unheimlich dekoriert, es gibt einen Gruselgeschichten-Wettbewerb, eine Parade und einen Kostümball. Und natürlich auch Schwierigkeiten, denn ein alter Einwohner des Dorfes hat etwas gegen die feiernden Fremden in seiner Heimat. Er folgt eingeflüsterten Anweisungen und vollführt ein uraltes Ritual, welches eine Maske des Nyarlathotep beschwört – und schon bald mischt sich waschechter Horror unter die gruseligen Späße.

Das dritte Abenteuer, „Halloween Candy“, spielt nicht in den 1920ern, sondern im Jahr 2006. Die Spieler schlüpfen in die Rollen von Agenten der Homeland Security. Sie werden – pünktlich zu Halloween – in das Städtchen Cogan Springs beordert, in dem seltsame Vorfälle vor sich gehen. Bald erwachen sie inmitten der Vorboten einer Zombie-Apokalypse und müssen sich ihrer Haut erwehren.

Wie auch schon im Vorgängerband ist allen Abenteuern gemein, dass sie kurz und knackig präsentiert werden und problemlos an einem Abend durchgespielt werden können. Damit eignen sie sich hervorragend, um tatsächlich am namensgebenden Tag als Event-One-Shot angeboten zu werden. Unheimlicher Höhepunkt des Bandes ist dabei ganz klar „Die Masken von Halloween“, welches sehr gekonnt Halloween mit cthuloiden Motiven verbindet und sich auch am ehesten dazu eignet, in eine Kampagne eingestreut zu werden. Während „Nutzlos zu Halloween“ auch auf seine starken Momente verweisen und mit einer humoristischen Note versehen sicher ein derber Spaß sein kann, sagt mir „Halloween Candy“ am wenigsten zu. Das liegt nicht nur an den bewusst grenzwertig gewählten Motiven wie den Kinderzombies, sondern auch an der sehr eindimensionalen Handlung und dem recht erzwungen wirkenden Einsatz des Mythos-Antagonisten.

„Rückkehr nach Halloween“ erscheint als Softcoverband in Schwarz-Weiß. Wie die übrigen „Cthulhu“-Publikationen ist er mit zeitgenössischen Fotografien bebildert, sauber gelayoutet und übersichtlich gestaltet. Wieder unterstützt die Verwendung von altertümlichen Halloween-Postkartenmotiven das stimmige Gesamtbild des Bandes. Auch Korrektorat und Lektorat haben saubere Arbeit geleistet. Lobend erwähnen möchte ich hier noch einmal die Handouts, welche optisch sehr ansprechend gestaltet wurden. Damit gibt es technisch eine gute Note von mir.

Fazit: Wieder haben sich unter der Halloween-Thematik drei knackig-kurze Abenteuer vereint, welche dazu einladen als „Event“ zum gleichnamigen Feiertag angeboten zu werden. Allerdings fällt das dritte Abenteuer qualitativ und thematisch etwas ab. Nichtsdestotrotz bleibt eine Empfehlung für alle, die sich mit dem Thema anfreunden können.

PS: Diese Rezension erschien ursprünglich auf www.ringbote.de

Rezension: Verzeiht die Liebe alles?

Rollenspiel ist normalerweise für größere Gruppen konzipiert, doch es funktioniert auch hervorragend mit einem Spielleiter und einem Spieler. „Verzeiht die Liebe alles?“ greift diese recht selten praktizierte Spielart auf und verknüpft sie mit den finsteren Mächten des Mythos.

„Verzeiht die Liebe alles“ ist dabei die Übersetzung der amerikanischen Publikation „Does love forgive?“, welches wiederum auf einer originalen Publikation des polnischen Black-Monk-Verlags basiert. Wie für die deutschen Abenteuerbände üblich, erscheint „Verzeiht die Liebe alles?“ als Softcover und im Schwarz-Weiß-Druck. Beide Szenarien werden sowohl durch die Spielart des sogenannten „One-on-one“, also dem Spiel mit nur einem Spieler und einem Spielleiter, sowie durch die Themen Beziehungen, Liebe und den Einfluss des Mythos darauf vereint.

Eröffnet wird der Band mit einem Einleitungsartikel, welcher sowohl die Besonderheiten des „One-on-One“ vorstellen will als auch Hilfestellungen dafür gibt, wie beide Beteiligten Spaß am Spiel haben und Unwohlsein vermeiden können. Leider erweist sich der Artikel als wenig ergiebig. So finden sich nur wenige praktische Tipps für das Spiel zu zweit, um beispielsweise Atmosphäre und Spannung hochzuhalten – dafür werden immerhin regelseitig einige Ideen unterbreitet, die absolut sinnvoll sind. Der zweite Teil des Artikels, welcher sich damit beschäftigt, wie die Spielenden die Grenzen des Spiels festlegen können, um Unwohlsein oder gar „Trigger“ zu vermeiden, erscheint eher als eine Art pflichtschuldige Textarbeit, da es heute wohl notwendig ist, derartige Texte anzubieten. So kratzt er nur an der Oberfläche der Möglichkeiten, erwähnt schlussendlich nur Grenzen und Vorhänge und nicht einfache Mechanismen wie die beliebte „X-Karte“ und wirkt so ein wenig unrund.

Dann geht es in die Szenarien. In „Ich liebe dich bis in den Tod“ schlüpft der Spieler in die Rolle eines Detektivs, der Besuch von einer alten Freundin in seinem Büro erhält. Ihr geliebter Schoßhund soll später am Tag getötet werden. Sie bittet den Investigator, ihn rechtzeitig vorher aus dem Police Department zu holen. Was zunächst wie ein einfacher Botenjob beginnt, entpuppt sich rasch als waschechte Intrige. Denn die Freundin verschwindet und der Investigator erhält plötzlich Briefe von einer gemeinsamen Bekannten aus Kindertagen. Wie hängen diese Ereignisse zusammen?

Auch das zweite Szenario, „Maske des Verlangens“, enthält viele investigative Elemente. Hier schlüpft der Spieler in die Rolle des Freundes der beiden NSC Anna Konrad und Lucas Renston, welche er auf die Party einer wohlhabenden – und anrüchigen – Dame der feinen Gesellschaft begleitet. Anna ist nicht recht bei der Sache, da sie vor einem wichtigen Vorsingen steht. Was hat das geheimnisvolle Paket damit zu tun, welches Lucas am nächsten Tag erhält? Und warum interessieren sich so viele unterschiedliche Leute für den Inhalt dieses Paketes?

„Ich liebe Dich bis in den Tod“ ist ein waschechter Kriminalfall mit einem guten Schuss Mythos im Finale. Das Szenario ist recht geradlinig und eignet sich hervorragend für Einsteiger, auch solche in die Thematik des One-on-One. Die vorgeschriebene Hintergrundgeschichte des Investigatoren bettet ihn hervorragend in die Handlung ein und macht NSC und mögliche Folgen des Finales greif- und fühlbar. Ein empfehlenswertes Szenario.

Auch „Maske des Verlangens“ ist von der Anlage her sehr interessant – allerdings ist es wesentlich komplexer. Dem Spieler stehen deutlich mehr Handlungsoptionen offen, und auch die Anzahl unterschiedlicher NSC ist für den Spielleiter deutlich komplexer zu verwalten. Der Abenteuertext löst diese Herausforderung gut, indem er keine stringente Handlung, sondern eher aufeinander aufbauende Optionen anbietet. Für den Spielleiter bleibt natürlich dennoch ungleich mehr Arbeit übrig. Dafür wird er allerdings mit einem guten Mythoshintergrund und einigen starken Szenen belohnt.

Die Verbindung von persönlichen Beziehungen – ja, vielleicht sogar Liebe – und dem Einfluss des Mythos ist ein in „Cthulhu“-Abenteuern eher selten genutztes Motiv. Gerade durch die Einsamkeit des Spielers am Spieltisch entsteht in beiden Szenarien eine dichte Melange aus Eigenmotivation, Gefühlschaos und Grusel. Wer sich darauf einlassen mag, erhält eine wirklich interessante neue Art, „Cthulhu“ zu spielen.

Der Band ist eher spärlich illustriert, dafür weisen die Bilder ein einheitliches hohes Niveau auf. Auch die Handouts, welche gerade im zweiten Szenario zahlreich vorhanden sind, sind hübsch designt und wissen zu gefallen. Das Layout ist sauber und aufgeräumt, die Schriftart angenehm groß. Technisch gibt es damit nichts zu meckern.

Fazit: Unter dem etwas sperrigen Titel „Verzeiht die Liebe alles?“ präsentiert dieser Band zwei gelungene Szenarien für einen Spielenden und den Spielleiter. Wer sich für diese Spielart begeistern kann, darf hier bedenkenlos zugreifen.

PS: Diese Rezension erschien ursprünglich auf www.ringbote.de

Rezension: Einstiege ins Entsetzen

Cthuloide Abenteuer gibt es einige – doch wie viele kennt Ihr, die in nur einer Stunde gespielt werden können? Gleich drei solcher Kurzszenarien versammelt der vorliegende Band. Schauen wir mal, welch grausigen drei Stunden uns „Einstiege ins Entsetzen“ beschert.

Wie für die deutschen Abenteuerbände üblich, erscheint „Einstiege ins Entsetzen“ als Softcover und im Schwarz-Weiß-Druck. Alle drei Szenarien sind als sogenannte One Shots mit vorgefertigten Investigatoren angelegt. Und – wie bereits angedeutet – alle drei Szenarien sind in einer Stunde spielbar. So viel zu den reinen Fakten. An dieser Stelle sei mir die obligatorische Spoiler-Warnung erlaubt: Die folgenden Inhaltsangaben sind für Spielleiter gedacht und nicht für Spieleraugen bestimmt!

Die drei Szenarien waren – zumindest teilweise – früher als Gratisdownload auf Chaosiums Webauftritt verfügbar. Eröffnet wird der Band mit „Die Nekropole“. Hier begleiten wir die Investigatoren bei der Untersuchung eines frisch geöffneten ägyptischen Grabes. Leider werden die Investigatoren in der Grabkammer eingeschlossen – und sehen sich bald mit einem jahrtausendealten Schrecken konfrontiert, der lebendiger ist, als ihnen lieb sein kann. Das zweite Szenario, „Was ist da im Keller?“, führt die Gruppe in das Landhaus eines alten Freundes; dieser sitzt wegen dem Mord an seiner Frau im Gefängnis und bittet die Gruppe, seine Unschuld zu beweisen. Dafür untersuchen sie den Tatort – den Keller des Landhauses – genauer und treffen auch hier auf eine finstere Wesenheit, welche ihnen nun nach dem Leben trachtet. Abgeschlossen wird der Band mit „Der tote Gast“, in dem eine Gruppe Nachbarn in die Wohnung eines seit Tagen vermissten Mieters eindringt. Hier finden sie zunächst nur seine Leiche und Hinweise auf seinen Selbstmord, bevor sich auch hier der cthuloide Horror in Form einer fremden Kreatur entfaltet, die den Investigatoren den Garaus machen möchte.

Alle drei Szenarien verfügen – den unterschiedlichen Lösungsansätzen zum Trotze – über sehr überschaubare Handlungsrahmen. Schlussendlich passen Hinweise und Handlung locker auf zwei Seiten. Leider hat sich an der Überarbeitung der Texte auch „Cthulhu“-Redakteur Mike Mason beteiligt, was – meiner Erfahrung nach – üblicherweise dazu führt, dass Unmengen unnötiger Texte produziert werden. Und auch „Einstiege ins Entsetzen“ macht hier keine Ausnahme: Zur Präsentation der oben beschriebenen, sehr dünnen Handlungen nimmt sich jedes Szenario rund 25 bis 30 Seiten Platz, was natürlich völlig überdimensioniert ist. Man kann den Texten allerdings zugutehalten, dass sie den Spielleiter sehr eng an die Hand nehmen und ausführlich die Regeln und Handlungsoptionen der Spieler erläutern, um so auch blutigen Einsteigern das Leiten zu vereinfachen.

Aber: Sind eben diese blutigen Einsteiger die Zielgruppe dieses Bandes? Rahmentexte und Hinweise deuten darauf hin, dass diese Szenarien eher für Supporter gedacht sind, welche „Cthulhu“ in einer kurzen Zeit präsentieren wollen – oder vielleicht sogar müssen. Ich könnte mir diese Szenarien gut für Spielemessen vorstellen, auf denen Unbedarfte einmal in dieses „Rollenspiel“ hineinschnuppern möchten. Für die heimische Spielrunde sind diese Szenarien selbst zum Ausprobieren viel zu dünn und lassen schlussendlich auch viele reizvollen Aspekte des Spiels „Cthulhu“ vollkommen außen vor. Da gibt es mit „Pforten in die Finsternis“ oder dem älteren „Kinder des Käfers“ wesentlich bessere Einsteigerbände. Wenn nun aber die Szenarien eher für Supporter gedacht sind: warum dann die einschläfernde Ausführlichkeit? Sind Supporter nicht eher versierte Spielleiter, die sich in ihrem System auskennen sollten? So bleibt „Einstiege ins Entsetzen“ eine Mogelpackung – unnötiger Textwust einerseits, fehlende Handlung andererseits. Dazu kommt, dass drei Mal das gleiche Szenario in anderem Gewand geliefert wird – dabei lassen sich mit der Vorgabe, ein Szenario für genau eine Stunde zu verfassen, wesentlich interessantere Handlungen stricken: Carsten Pohls „Ultima Ratio“, zuletzt für das cthuloide Rollenspiel „FHTAGN“ neu aufgelegt, lässt grüßen.

Der Band wurde mit einer Mischung aus zweckmäßigen und qualitativ ordentlichen Zeichnungen sowie zeitgenössischen Fotografien bebildert. Immerhin die mitgelieferten Karten wissen mich vollends zu überzeugen. Auch die vorhandenen Handouts sehen gut aus, auch wenn die verwendeten Handschriften das Computerdesign erkennen lassen. Das Layout ist wie immer sauber und übersichtlich gestaltet. Technisch gibt es damit – wie so oft – wenig zu meckern.

Fazit:
 „Einstiege ins Entsetzen“ ist etwas für Leute, die absolute Kurzszenarien suchen, um neuen Spielern einmal „Cthulhu“ zeigen zu können, ohne viel Zeit dabei zu verlieren. Ehrlich gesagt sind die hier gebotenen Handlungen aber so dünn, dass sich jeder halbwegs versierte Spielleiter etwas Ähnliches selbst ausdenken könnte. Finger weg.

PS: Diese Rezension erschien ursprünglich auf Ringbote.de

Das Autorennähkästchen V: Die Verschwundene

Hallo zusammen,

wie treue Leser dieses Blogs sicherlich wissen, bin ich seit einiger Zeit Mitglied im Autorenteam für das deutsche CTHULHU. Zugegeben liegt meine letzte Plauderei aus dem Autorennähkästchen schon recht lange zurück, so dass man auch auf den Gedanken kommen könnte, ich hätte hier nichts mehr mit zu tun. Doch das ist mitnichten so. Tatsächlich habe ich nicht nur an drei Publikationen mitgearbeitet, deren Erscheinung noch aussteht, sondern konnte auch zwischendurch meinen Namen noch in einer weiteren offiziellen Publikation platzieren.

Als unser Chefredakteur fragte, ob jemand Kapazitäten für ein kurzes Abenteuer für die Marketingabteilung frei hätte, war ich sofort Feuer und Flamme. Kurze Abenteuer liegen mir ja ohnehin mehr als lange Texte. Und unter den frei verfügbaren Werbeabenteuern für CTHULHU finden sich nicht nur echte Klassiker (wie „Am Rande der Finsternis“ oder „Das Corbitt-Haus“) sondern auch echte Perlen (wie „Der Preuße“, „Der Nachtexpress“ oder „Totholz“) wieder, so dass ich es mir nicht nehmen lassen wollte, hier auch einmal mein Glück zu versuchen. Die einzige Vorgabe war, dass das Abenteuer in Neuengland und den 1920ern spielen sollte. Das gab mir Gelegenheit, eine länger schwelende Idee endlich einmal umzusetzen.

Alles beginnt mit Stephen King. Ich war ehrlich gesagt nie ein sonderlich großer Fan dieses Autors und selbst die meisten Verfilmungen, die ja heute oftmals als Klassiker des Genres gelten, habe ich nicht gesehen. Eine große Ausnahme stellt allerdings Kings Novelle „Das Mädchen“ dar, welche irgendwie im Zuge einer Schenkung alter Bücher in meine damals noch jugendlichen Hände geraten war. Die intensive Stimmung, das Unwirkliche und das gleichzeitig erschreckend Mögliche in dieser Erzählung haben mich damals wie heute fasziniert. Ein erster Versuch, dieses Thema cthuloid umzusetzen fand sich in meinem 2017er-Adventskalender mit dem Postkartenszenario Indian Summer.

Da die Idee mir immer noch sehr gut gefiel, wollte ich sie ein weiteres Mal aufgreifen. Nun musste sie allerdings auf die 1920er transportiert werden. Da die Handlung ohnehin weitenteils im finsteren Forst stattfindet, war das kein größeres Problem. Im vergangenen Jahr hatte ich mehrfach das Abenteuer „Das Grauen von den Sternen“ für verschiedene Gruppen geleitet; der Einstieg als Teil einer Suchmannschaft gefiel mir sehr gut. So gut, dass ich auch die Investigatoren in meinem Abenteuer zum Teil einer Suchmannschaft – wenn auch unter anderen Voraussetzungen – machte. Das Setting ergab sich dann aus einer nochmaligen Lektüre des Dunwich-Bandes und ist tief in der cthuloiden Mythologie verankert. Das war leicht.

Der Rest der Niederschrift fiel dann angenehm leicht: Mit den grotesken Splatter-Motiven aus „Das Mädchen“ im Hinterkopf und den Möglichkeiten cthuloider Magie eines Kriechenden Wesen schrieben sich die meisten Szenen wie von selbst. Ein einfacher Mechanismus, welcher Beliebigkeit aus dem Finale des Abenteuers nimmt, war leicht erdacht. In Summe bin ich sehr zufrieden mit dem Szenario – auch und gerade, weil es zwar einerseits typisch cthuloid aber andererseits eben doch kein „Mystery-Recherche“-Plot geworden ist.

Ihr findet das Abenteuer online bei Pegasus Digital. Wie immer freue ich mich, wenn Ihr das Szenario lest, spielt, davon berichtet und mir hier einen Kommentar hinterlasst

Rezension: Namenloser Schrecken in der Gegenwart

Bereits im Jahr 2015 erschien bei Chaosium eine Abenteueranthologie für „Cthulhu“ mit dem Titel „Nameless Horrors“. Die hier enthaltenen sechs Abenteuer widmeten sich den drei großen, cthuloiden Settings: dem Gaslicht, den Goldenen Zwanzigern und der Jetztzeit. Mit „Namenloser Schrecken in der Gegenwart“ erscheint nun der dritte Teil der deutschen Übersetzung als Einzelband.

Wie für die deutschen Abenteuerbände üblich erscheint „Namenloser Schrecken in der Gegenwart“ als Softcover und im Schwarz-Weiß-Druck. Ebenso wie in den beiden Vorgängerbänden „Namenloser Schrecken in Neuengland“ und „Namenloser Schrecken in der Alten Welt“ teilen die beiden hier vorliegenden Szenarien zwei Gemeinsamkeiten: Sie sind als One-Shot mit vorgefertigten Investigatoren konzipiert und sie befassen sich mit cthuloidem Grusel unbekannter Art – denn die verwendeten Mythosthemen sind neu und unverbraucht. Und an dieser Stelle sei mir die obligatorische Spoiler-Warnung erlaubt: Die folgenden Inhaltsangaben sind für Spielleiter gedacht und nicht für Spieleraugen bestimmt!

Das erste Abenteuer heißt „Das Mondkind“ und weist schon eine recht ausgefuchste Investigatoren-Konstellation auf. Denn alle Investigatoren waren zu ihren Studienzeiten Teil eines okkulten Zirkels. Bei einer Art Klassentreffen kommen die mittlerweile längst erwachsenen Investigatoren wieder zusammen, nur um zu erfahren, dass einer aus ihrem Zirkel – der ehemalige Anführer – nicht nur nach ihrem Leben trachtet, sondern auch ein sogenanntes „Mondkind“ gezeugt hat. Dieses Kind ist unter dem Einfluss magischer Rituale gezeugt worden und hat eine ganz besondere Verbindung zur magischen Welt.

In „Das Mondkind“ ist aber tatsächlich nichts so, wie es auf den ersten Blick scheint. Das angepriesene Mondkind erweist sich als völlig unmagisch, der mordende Anführer als mit der Situation total überfordert und der eigentliche Drahtzieher verfügt über derart gewaltige Kräfte, dass die Investigatoren nicht einmal ihren eigenen Sinnen trauen können. Paul Fricker, als Rollenspielautor nicht zuletzt durch „Gatsby und das Große Rennen“ bekannt geworden, gelingt es, eine interessante Figurenkonstellation zu erzeugen, wie sie einem amerikanischen Horrorfilm der späten 1980er Jahre entsprungen sein könnte. Allerdings wird die Handlung durch die Fähigkeiten des Antagonisten etwas beliebig, da der Spielleiter die Investigatoren schlussendlich nach Belieben in jede Richtung lenken kann. Wer dem Spuk entkommen will, muss darüber hinaus zu wirklich drastischen Maßnahmen greifen, was sicher auch nicht jedermanns Geschmack trifft.

Das zweite Szenario widmet sich wieder einem künstlerischen Thema, dieses Mal aber dem Film. „Der Bereich dazwischen“ ist nicht nur der Titel des Szenarios, sondern auch eines Filmes, an dessen Set die Investigatoren arbeiten. „Der Bereich dazwischen“ wird von einer esoterischen Kirche – deren Auftreten frappierend an Scientology erinnert – gedreht, um die eigene Botschaft zu verbreiten. Dumm nur, dass es sich dabei nicht nur um esoterisches Geschwurbel handelt, sondern die Verantwortlichen der Kirche tatsächlich Kontakt mit der „Leere“, einer hungrigen, außerirdischen Entität hatten. Diese Leere gelüstet es nun nach neuen, menschlichen Körpern, denen sie sich bemächtigen kann.

Unter dem Versprechen, alle Sorgen hinter sich lassen zu können, werden die Opfer der Kirchenoberen „geleert“, und nur ihre menschliche Haut bleibt zurück, erfüllt von der ewig hungrigen Leere. Natürlich geht so auch bei den Dreharbeiten einiges schief, als Regisseur und Produzent kurz vor Ende der Dreharbeiten entscheiden, die Hauptdarstellerin zu „leeren“. Was zunächst nach einer launenhaften Diva aussieht, entpuppt sich als grausiger Mord und später als noch viel mehr als das. Doch wie werden sich die Investigatoren entscheiden, wenn man ihnen die „Leerung“ anbietet? „Der Bereich dazwischen“ ist flexibel aufbereitet und bietet zahlreiche Möglichkeiten der Interaktion. Insbesondere durch die enge Einbindung der Investigatoren in die Kirchenstrukturen ergeben sich interessante rollenspielerische Möglichkeiten.

Beide Szenarien verfügen über geschickt miteinander verflochtene Investigatorengruppen und laden zum intensiven Rollenspiel ein. Darüber hinaus sind die Texte flexibel aufbereitet und bieten dem Spielleiter so die Möglichkeit, angemessen auf die Handlungen der Spieler zu reagieren. Während man dem ersten Abenteuer allerdings eine gewisse Beliebigkeit unterstellen kann – immerhin kann der Antagonist ganze Handlungsstränge nur vortäuschen – macht das zweite Szenario diese Fehler nicht. Beiden ist aber auf jeden Fall gemein, dass sie unverbrauchte und so noch nicht dagewesene Begegnungen mit dem kosmischen Grauen ermöglichen.

Wie auch schon im Vorgänger „Namenloser Schrecken in der Alten Welt“ wurde auch in „Namenloser Schrecken in der Gegenwart“ konsequent auf die „Cthulhu“-typische Bebilderung mit zeitgenössischen Fotografien verzichtet. Stattdessen wurden saubere, aber handwerklich sehr durchschnittliche Zeichnungen und Skizzen verwendet, was optisch gegenüber anderen Bänden Abstriche bedeutet. Immerhin die mitgelieferten Karten wissen aber zu überzeugen. Das Layout ist wie immer sauber und übersichtlich gestaltet, an ein paar hilfreiche Zeichnungen wie Beziehungsgeflechte wurde gedacht. Dafür wurden die wenigen Handouts überhaupt nicht optisch gestaltet, was im Vergleich zu anderen Bänden ebenfalls deutlich abfällt. Technisch ist der Band damit ordentlich, aber auch nicht herausragend, ausgestattet.

Fazit: Auch „Namenloser Schrecken in der Gegenwart“ bietet ungewöhnliche Begegnungen mit dem Grauen in einer ordentlichen Aufbereitung. Nicht zuletzt dank des niedrigen Preises absolut empfehlenswert für „Cthulhu“-Spieler, die einmal etwas anderes ausprobieren möchten.

PS: Diese Rezension erschien ursprünglich auf ringbote.de

Rezension: Namenloser Schrecken in der Alten Welt

Bereits im Jahr 2015 erschien bei Chaosium eine Abenteueranthologie für „Cthulhu“ mit dem Titel „Nameless Horrors“. Die hier enthaltenen sechs Abenteuer widmeten sich den drei großen cthuloiden Settings: dem Gaslicht, den Goldenen Zwanzigern und der Jetztzeit. Nachdem im deutschen Band „Namenloser Schrecken in Neuengland“ die beiden Szenarien für die 1920er übersetzt und veröffentlicht wurden, widmet sich „Namenloser Schrecken in der Alten Welt“ den beiden Szenarien für die Gaslicht-Ära.

Wie für die deutschen Abenteuerbände üblich erscheint „Namenloser Schrecken in der Alten Welt“ als Softcover und im Schwarz-Weiß-Druck. Aktuell ist es noch geplant, die beiden fehlenden Szenarien ebenfalls in einem passenden Einzelband zu veröffentlichen. Die beiden hier vorliegenden Szenarien teilen zwei Gemeinsamkeiten: Sie sind als One-Shot mit vorgefertigten Investigatoren konzipiert und sie befassen sich mit cthuloidem Grusel unbekannter Art – denn die verwendeten Mythosthemen sind neu und unverbraucht. Und an dieser Stelle sei mir die obligatorische Spoiler-Warnung erlaubt: Die folgenden Inhaltsangaben sind für Spielleiter gedacht und nicht für Spieleraugen bestimmt!

Das erste Abenteuer trägt den Titel „Ein unstillbares Verlangen“. In diesem Szenario schlüpfen die Spieler in die Rolle einer Gruppe Schmuggler, die vor der britischen Küste Schmuggelware in Empfang nehmen. Doch dann bricht ein furchtbarer Sturm los – und die Investigatoren finden sich unversehens an Land wieder. Schnell müssen sie feststellen, dass sie nicht mehr in ihrer Zeit sind, sondern weit in die Vergangenheit geschleudert wurden. So müssen sie den Untergang des Küstenstädtchens Dunwich – die Namensgleichheit zu dem Dorf aus Lovecraft Country ist zumindest eine schöne Anekdote –, welches im Jahr 1287 von einem furchtbaren Sturm verheert wurde, miterleben. Der Clou des Szenarios: Dank des Fluchs einer Hexe sind sie darüber hinaus in einer Zeitschleife gefangen und müssen die furchtbare Nacht wieder und wieder erleben – bis sie einen Ausweg finden, der dann auch direkt mit dieser Hexe zusammenhängt.

Das zweite Szenario spielt im Künstlermilieu des Paris um die Jahrhundertwende. „Eine Sendung der Kunst“ ist der passend gewählte Titel dieses ungewöhnlichen, als Kammerspiel beginnenden Szenarios. Ein bislang eher unbedeutender Bildhauer hat – dank der Lektüre eines Mythosbuchs – die Inspiration, eine Muse, zum Leben erweckt. Während einer Ausstellung nebst Feierlichkeit in einem Salon pflanzt dieses Wesen – getarnt als Ehefrau des Bildhauers – anderen Künstlern ihre Inspiration ein, was nicht nur wild arbeitende Künstler nach sich zieht, sondern auch eine Reihe bizarrer Todesfälle. Die Investigatoren – ebenfalls entweder Künstler oder eng mit dem Salon verbandelt – sind dabei mittendrin statt nur dabei und können auch Opfer der verderbnisbringenden Einflüsterungen der Muse werden. Wie werden sie dieses Szenario zu Ende bringen – indem sie Kunst schöpfen, die jenseits unserer Vorstellungskraft ist, oder einen anderen Weg finden, die Muse zu besiegen?

Beide Abenteuer leben von der ausgeklügelten Figurenkonstellation, welche die Investigatoren fest in der Handlung des jeweiligen Szenarios verankert. Zwar funktionieren Teile der Handlung auch im Rahmen von Kampagnen; mit den vorgefertigten Investigatoren und einer entsprechend spielfreudigen Gruppe entsteht aber eine sogartige Wirkung, die mit „unbeteiligten“ Investigatoren nicht zu erreichen wäre. Dennoch konnten mich die Szenarien nicht vollends überzeugen. Während „Ein unstillbares Verlangen“ zwar Druck aufbaut, aber eigentlich recht harmlos dahinplätschert, bis die Spieler auf die richtige Idee gekommen sind, verzichtet „Eine Sendung der Kunst“ gleich auf einen konkreten Handlungsrahmen. Gerade beim zweiten Szenario hatte ich oft das Gefühl, dass dem Autor eine starke Einstiegsszene vorschwebte – die Feierlichkeit im Kunstsalon, welche auch ca. zwei Drittel des Abenteuertextes ausmacht – und ihm dann die rechte Inspiration für den weiteren Verlauf fehlte. Nichtsdestotrotz schlummert gerade im zweiten Abenteuer noch viel Potenzial, welches aber von der Spielleitung erst freigelegt werden muss.

In „Namenloser Schrecken in der Alten Welt“ wurde durchgängig auf die „Cthulhu“-typische Bebilderung mit zeitgenössischen Fotografien verzichtet. Stattdessen wurden saubere, aber handwerklich sehr durchschnittliche Zeichnungen und Skizzen verwendet, was optisch gegenüber anderen Bänden Abstriche bedeutet. Das Layout ist wie immer sauber und übersichtlich gestaltet, an ein paar hilfreiche Zeichnungen wie und Beziehungsgeflechte wurde gedacht. Dafür wurden die wenigen Handouts überhaupt nicht optisch gestaltet, was im Vergleich zu anderen Bänden ebenfalls deutlich abfällt. Technisch ist der Band damit ordentlich, aber auch nicht herausragend, ausgestattet.

Fazit: „Namenloser Schrecken in der Alten Welt“ präsentiert zwei ungewöhnliche Szenarien, die sich als One-Shot oder zum Start einer besonderen Kampagne anbieten. Dabei ist insbesondere der Umgang mit dem Mythos ungewöhnlich. Wer Abwechslung zu alten Pfaden sucht, wird hier fündig – es gibt aber durchaus stärkere Abenteuerbände im cthuloiden Portfolio.

PS: Diese Rezension erschien ursprünglich auf Ringbote.de

Rezension: Le Tre Madri

Heute habe ich die große Freude, noch einmal einen Gastautor auf meinem Blog begrüßen zu dürfen. Hilmar Poganatz, dem cthuloiden Rollenspieler nicht zuletzt bekannt durch sein Szenario „Orakelknochen“ in der Publikation „Ars Mathematica“, hat sich dem neuen Abenteuer „Le Tre Madri“ aus dem Band „Geschlossene Räume“ angenommen und eine umfangreiche Rezension verfasst. Viel Spaß damit!

„Le Tre Madri“ ist das erste von zwei Abenteuern im Pegasus Cthulhu-Softcover „Geschlossene Räume“, in dem der Verlag zwei neuen Autoren eine Chance gibt. Gerade mit dem ersten Szenario wagt Pegasus vieles, was man sonst nicht gewohnt ist – Grund genug, hier einmal genauer hinzusehen. Erster Eindruck des Szenarios ist: Wow! Was für eine Fallhöhe. Das Ganze atmet vom ersten Augenblick die Belesenheit des Autors, und steckt so voller literarischer, cineastischer, historischer und religiöser Bezüge wie sonst wohl kein Cthulhu-Szenario. Auch die Sprache ist bis ins letzte durchdacht und geschliffen. Allein schon diese Dinge heben „Le Tre Madri“ weit und deutlich aus der Masse veröffentlichter Abenteuer heraus.

Sie sorgen aber auch für die erste mehrere Hürden dieses Opus Magnum. „Le Tre Madri“ (LTM) ist kein leichtes Szenario: Es ist nicht leicht zu lesen, nicht leicht zu verstehen, und ganz sicher auch nicht leicht zu leiten. Es ist ein Szenario für Leute, die sich gern reinknien in eine sehr düstere Materie, um dann besonders tief einzutauchen in Leid, Schrecken und Verzweiflung. Hatte ich schon erwähnt, dass das Abenteuer selbst für ein Horror-Abenteuer wirklich düster ist?

Die Investigatoren sind eine Gruppe von Künstlern, die eine ganz besondere, unterirdische Ausstellung im New York der Jetztzeit besuchen, welche dann der Schauplatz dieses „Closed Room“-Szenarios ist. (eine Verlegung in die 1920er scheint problemlos möglich) Damit die Investigatoren gut zur Handlung passen, liefert das Szenario einige kreative Ideen für deren Erschaffung, was ein großer Pluspunkt ist. Sicher hätte eine beispielhafte Gruppe vorgefertigter Charaktere hier den Einstieg erleichtert, aber leicht machen will Autor Ben Ramisch es in seinem ersten veröffentlichten Cthulhu-Szenario ohnehin nicht: Er schont weder den SL, noch die Spieler, und schon gar nicht die Investigatoren.

Warum also ist dieser Closed Room-Horrorthriller nicht leicht zu lesen? Weil LTM nur streckenweise als klassisches Abenteuer mit einem idealen Ablauf geschrieben ist – es ist eher ein Baukasten für fleißige Spielleiter. Das Labyrinth, in dem es spielt, kann so immer wieder neu zusammengesetzt werden. Die Ideen, die der Autor liefert, bieten eine manchmal verwirrende Vielfalt. So erhält das Szenario einen hohen Wiederspielwert, was eine gute Idee ist, denn es dürfte so viel Arbeit machen, es vorzubereiten, dass man es als SL dann lieber gleich mehrfach leitet. LTM ist für den einmaligen Gebrauch eigentlich zu schade, oder eben zu aufwändig.

Warum ist es nicht leicht zu verstehen? An sich ist die Prämisse einfach: Die Investigatoren werden gefangen und wollen irgendwie rauskommen, überleben. Wie das aber gelingen kann, hängt daran, wie weit es ihnen gelingt, gewisse metaphysische Konzepte zu verstehen. Hier kann es sein, dass der SL nachhelfen muss, damit etwa die zentrale „Schlüssel-Metapher“ überhaupt verstanden wird. Das gleiche gilt auch für das äußerst diverse, exzellent recherchierte Personal des Abenteuers. Ramisch hat offenbar viel gelesen, um dann so ziemlich alle historisch bekannten Gruppen von drei Frauen in sein Szenario einzubauen: Musen, Graien, Nornen, you name it. Das ist einerseits eindrucksvoll und unterstreicht das Gefühl, dass die titelgebenden „Drei Mütter“ die Menscheitsgeschichte entscheidend mitgeprägt haben. Aber dazu muss der SL eben auch einen ausreichend tiefen kulturellen Hintergrund mitbringen, und die Inkarnationen der Mütter im Szenario gut studiert haben. Der Autor legt die Latte eben auch hier hoch an, will keinen Einheitsbrei liefern, sondern fordern.

Einfach zu leiten ist LTM schon deshalb nicht, weil der SL sich andauernd aus einer Fülle von Möglichkeiten, die das Szenario bietet, bedienen muss, also viele Entscheidungen treffen muss, kaum etwas hat der Autor „einfach so“ zum Vorlesen oder Nachspielen aufgetischt. Das führt dazu, dass man, wenn man LTM leiten möchte, sich erst einmal hinsetzen muss, um aus dem Baukasten ein eigenes Labyrinth der Kunstausstellung zu bauen. Dabei könnte es manchem SL so gehen, wie den Investigatoren, die im Abenteuer das eine oder andere Mal von einer Überwältigung der Sinne geplagt werden, dem sogenannten „Stendahl Syndrom“. Der Autor liefert dermaßen viele Ideen, dass man ab und zu denkt: Weniger wäre mehr gewesen. Auf der anderen Seite ist LTM dadurch eben auch sehr vielseitig.

Was dem SL hier zum besseren Verständnis fehlt, liefert zum Glück der Blog des Autors der Spielgruppe: Die dort geposteten detaillierten Spielberichte helfen dem SL, mögliche Verläufe von LTM besser zu begreifen.

Hinzu kommt die größte „Keule“ und Herausforderung, die der Autor auspackt: die sogenannten „Sinnesplagen“, die die Investigatoren treffen. Schon früh im Abenteuer werden Charakteren einzelne Sinne genommen. Auch hier liefert das Szenario viele schöne Ideen, wie das mit Freeform-Elementen umzusetzen ist. Düfte oder besondere haptische „Handouts“ zu produzieren, ist allerdings auch wiederum recht anspruchsvoll. In jedem Fall dürften die Sinnesplagen die Charaktere extrem terrorisieren und teils auch das Spiel erschweren – etwa, wenn ein Stummer und eine Blinde miteinander kommunizieren müssen. John Tynes Klassiker „In medias res“ zeigte schon 1993 mit dem genialen stummen Charakter Marcel Pfeiff ein wenig in diese Richtung, hier aber dreht der Autor den Regler nochmal deutlich höher. Mit erfahrenen Rollenspielern kann so etwas zum Fest werden – weniger erfahrene Spieler dürften sich damit sehr schwer tun.

Ich selbst liebe Closed Rooms und habe ja auch selbst schon ein Szenario in einem verschlossenen Grab veröffentlicht („Orakelknochen“ im Band „Ars Mathematica“). Allerdings werde ich immer ein wenig skeptisch, wenn ein geschlossener Raum allzu deutlich als eine Art künstliches Rätsel-Labyrinth angelegt ist. Weckt bei mir Erinnerungen an „Verschollen in Al’Anfa“ anno dazumals bei DSA, aber auch an Norman Scherkes „Vergessen im Schnee“ oder an Moritz Honerts „Call of Casablanca“ – was nicht heißen soll, dass diese Abenteuer nicht beide auch wirklich überzeugende Elemente und Twists haben. Dennoch fällt es mir immer schwer, mich auf solche Konstruktionen einzulassen, auch wenn die Hintergrundgeschichte den Sinn des Labyrinths erklärt. Das tut der Autor bei LTM, und das entschädigt mich dann auch für die (in meinen Augen) zu „gewollten“ Elemente.

Was ich damit meine, ist das extrem düstere Finale des Szenarios. Hier werden die Investigatoren vor harte, quasi unmögliche Entscheidungen gestellt und möglicherweise auch gegeneinander aufgehetzt – wieder eine Einladung zu genial schwierigem Horror-Play. Ganz gleich, wie die armen, gefolterten Künstler sich hier entscheiden, ein morbid-verstörender Nachhall ist so gut wie sicher. Was die Charaktere am Ende tun (müssen), oder was in kurzen Epilogen nacherzählt wird, ist großes Horror-Kino und wird sicher auch nach dem Spiel noch eine gute Weile in den Köpfen der Spieler bleiben.

Hilmar Poganatz

Das Autorennähkästchen IV: Expeditionen

Hallo zusammen,

wie treue Leser dieses Blogs sicherlich wissen, bin ich seit einiger Zeit Mitglied im Autorenteam für das deutsche CTHULHU. Mittlerweile ist es ein ganzes Jahr her, dass ich ein wenig von meiner Arbeit an offiziellen Publikationen aus dem (Autoren-)Nähkästchen plaudern konnte. Ich war sicherlich nicht untätig in dieser Zeit (…und habe zum Beispiel viel Energie in DESPERADOS investiert…), doch es hat eben ein wenig gedauert, bis es mir gelungen ist, meinen Namen auch mal wieder im Impressum eines cthuloiden Bandes unterzubringen. Wie ihr es von mir gewohnt seit, möchte ich auch auf die Arbeit an diesem Band ein wenig zurückblicken und davon erzählen, wie eines zum anderen kam.

Als die Idee aufkam, den höchst beliebten und entsprechend bereits seit Jahren vergriffenen Band „Expeditionen“ einmal neu aufzulegen, war die Freude im Team groß. Es ist schade, dass viele ältere Bände ausverkauft und nie wieder verfügbar sein würden. Doch die Neuauflage der „Expeditionen“ zeigte auch, dass nicht immer alles so einfach ist, wie wir uns das als Fans vorstellen. Leider war es aus rechtlichen Gründen wohl unumgänglich, Teile des Bandes neu zu erstellen. Und auch die im Quellenteil vorgeschlagenen Regeln für Expeditionen waren noch auf die alte Regeledition gemünzt.

Insgesamt wurde so Platz für zwei neue Abenteuer frei. Während sich Kaid mit vollem Elan auf den neuen Quellenteil stürzte, hatte ich eigentlich gar nicht vor, mich an der Neuauflage zu beteiligen. Um ehrlich zu sein, war meine Ehrfurcht vor dem Originalband – den ich als einen der besten Bände zu CTHULHU in Deutschland ansehe – zu groß. Ich halte mich nach wie vor nicht für einen hervorragenden Abenteuerautoren, Quellenteile und Hintergrundmaterial liegt mir einfach mehr. Doch dann fiel eine der beteiligten Autorinnen kurzfristig aus und es drohte, ob der Kürze der zur Verfügung stehenden Restzeit, eine Neuauflage des Bandes mit nur vier Abenteuern. Das war dem Moment, an dem ich mich aufraffte um doch noch einzuspringen und ein Abenteuer beizusteuern und eine kurze Zusage vom Chefredakteur reichte, um mich ans Arbeiten zu bringen.

Ein Blick auf meine „Cthuloide Weltkarte“ – ja, ich lese hin und wieder tatsächlich alte Blogeinträge von mir 🙂 – machte mir rasch deutlich, in welcher Region ich mich bewegen wollte: die Karibik! (Zugegeben, die Karte ist nicht mehr gaaanz aktuell und könnte eigentlich noch einmal eine Überarbeitung vertragen!) Ich machte mich auf die Suche nach Inspiration und begann, im Forum verschiedene Ideen mit Kaid zu diskutieren. Dieser brachte dann Athu, einen Avatar Nyarlathoteps ins Spiel, auf den ich eigentlich auch hätte selbst kommen können. Denn immerhin war dieser Avatar auch die zentrale Gottheit in meinem ersten CTHULHU-Abenteuer, „Der Gesichtslose Gott“, dass ihr auch immer noch hier auf diesem Blog finden könnt. Das später titelgebende „Goldene Armband“ stammt dann auch direkt aus der Originalgeschichte, die Ahtu als cthuloide Wesenheit einführt. Mein Dank gilt damit einmal mehr einem Mitstreiter, in diesem Fall Kaid, der mich auf den richtigen Weg gebracht hat.

Der Rest ist dann, wie man so schön sagt, Geschichte. Ob der strammen Deadline ist mein „Der Fluch des goldenen Armbands“ ein verhältnismäßig kurzes Abenteuer. Ich hoffe natürlich dennoch, das es nicht nur als reiner Lückenfüller wahrgenommen wird. Gerade das „Lokalkolorit“ inklusive Voodoo-Kult und „Piraten“ mit Holzbeinen und Haken statt Händen hat viel Spaß bei der Niederschrift gemacht. Ich hoffe, ihr habt auch euren Spaß an dem Abenteuer. Und wenn ihr es einmal erlebt habt, dann lasst mir doch einen Kommentar hier!

Das Autorennähkästchen III: Von unaussprechlichen Kulten

Hallo zusammen,

wie treue Leser dieses Blogs sicherlich wissen, bin ich seit einiger Zeit Mitglied im Autorenteam für das deutsche CTHULHU. In bislang zwei Episoden im Laufe dieses Jahres konnte ich ein wenig von meiner Arbeit an offiziellen Publikationen aus dem (Autoren-)Nähkästchen plaudern. Und da es mir gelungen ist, meinen Namen auch im Impressum des neuesten Quellenbandes „Von unaussprechlichen Kulten“ zu platzieren, so möchte ich auch auf die Arbeit an diesem Band ein wenig zurückblicken und davon erzählen, wie eines zum anderen kam.

Als in einem Autorenrundbrief die Idee vorgestellt wurde, einen Band zum Thema „Kulte“ zu machen, war ich direkt Feuer und Flamme. Denn Kulte und ihre Kultisten sind der menschlichste und damit verständlichste Gegner, dem man bei CTHULHU gemeinhin begegnen kann. Diese Gruppierungen also mehr in den Fokus zu rücken, erschloss sich mir sofort. Nachdem wir ein wenig im Forum hin- und herüberlegt hatten, was alles in den Band reinkönnte, entschloss ich mich der Arbeitsgruppe beizutreten. Wir trafen uns per Skype, verteilten die Aufgaben untereinander und legten los.

Mir war bereits früh klar, dass ich kein Abenteuer für den Band beisteuern wollte. Tief in meinem Herzen hätte ich den Band sogar am Liebsten komplett als Quellenband angelegt und ihn komplett ohne Abenteuer gehalten. Die Mischung der Publikationsarten „Quellen-“ und „Abenteuer-„Band ist allerdings bei CTHULHU natürlich ein bewährtes Muster. Nichts desto trotz reizte mich der Quellenteil deutlich mehr. Der Quellenteil setzte sich nach unseren Planungen – und so ist es schlussendlich auch geblieben – aus drei Teilen zusammen: einem real-historischen Abriss über Kulte und Geheimbünde; einer enzyklopädischen Auflistung bekannter cthuloider Kulte sowie einem Kult-Generator, um Spielleitern die selber aktiv werden wollen, auch etwas an die Hand zu geben. Ich stürzte mich auf den real-historischen Quellenteil, während Julia Knobloch mit bewundernswerter Akribie begann, alle CTHULHU-Publikationen nach Kulten und Kultisten zu durchforschen. Nachdem ich mit meinem (schlussendlich ja auch recht kurzen) Teil fertig war, begann ich, Julia in ihrer enzyklopädischen Arbeit zu unterstützen. So konnte auch ich mein kleines Scherflein dazu beitragen, dass die Kulteliste so komplett ist, wie sie jetzt ist.

Eine besondere Freude war dann die Arbeit an dem Kult-Generator. Auch hier erledigte Julia den Löwenanteil der Arbeit. Mir blieb allerdings – gemeinsam mit unserem Redakteur Stefan – das besondere Privileg vorbehalten, den Generator in verschiedenen Stadien zu testen und zu kommentieren. Und natürlich auch lange bevor andere Spielleiter den Generator in die Finger bekommen konnten, spannende und gelungene Kulte zu erwürfeln. Ich denke, das Ergebnis kann sich durchaus sehen lassen.

Wie so oft, wenn ich aus dem Nähkästchen plaudere so ist auch hier wieder deutlich, dass die Zusammenarbeit mit anderen Autoren und dem Redakteur mehr erschafft, als die Summe der einzelnen Teile. Durch die Feedbackschleifen und das gegenseitige Unterstützen entstehen runde Texte, auf die ich – und ich denke, die anderen Autoren ebenfalls – stolz sein darf. Ich hoffe, dass Ihr viel Freude an „Von unaussprechlichen Kulten“ haben werdet, die Abenteuer genießt und vielleicht sogar den einen oder anderen Kult selbst erschafft. Wie immer freue ich mich über Feedback jedweder Art, gerne auch hier auf dem Blog!