Rezension: S. Petersens Bestimmungsbuch der unaussprechlichen Kreaturen

Gut Ding will manchmal Weile haben, sagt das Sprichwort. So dauerte es bis zur deutschen Übersetzung dieses Bandes fast dreißig Jahre. Hat sich das Warten gelohnt?

Bereits 1988 erschien beim amerikanischen „Cthulhu“-Mutterschiff Chaosium „S. Petersenʼs Field Guide to Cthulhu Monsters“, ein Jahr später das entsprechende Handbuch zu Kreaturen der Traumlande. Während sich die Originalausgaben mittlerweile zu begehrten Sammlerstücken entwickelten, erschienen verschiedene Neuauflagen und Übersetzungen. Nun liegt mit dem „Bestimmungsbuch der unaussprechlichen Kreaturen“ erstmals eine deutsche Übersetzung der „Field Guides“ vor, die beide Bände vereint.

Entgegen meiner in Rezensionen sonst üblichen Praxis, erst etwas über den Inhalt des Bandes zu erzählen, möchte ich hier zum Einstieg ein paar Worte über das Aussehen des Buches verlieren. Denn das „Bestimmungsbuch“ ist ein wahrer Augenschmaus: der Hardcoverband ist komplett vollfarbig gehalten. Während sich das Design grundsätzlich an den – ebenfalls vollfarbigen – Grundregelwerken orientiert, sind es die großformatigen Illustrationen, die den Band zu einem echten Hingucker machen. Jedem der vorgestellten Mythoswesen wurde eine großformatige Illustration spendiert, die oft von mehreren Skizzen und Detailzeichnungen unterstützt und ergänzt wird. Die Bilder stammen dabei aus der französischen Ausgabe des Verlages Sans Detour, die – vollkommen zu Recht – hohes Ansehen genießt.

Nachdem ich das Design also gebührend gelobt habe, widmen wir uns dem Inhalt. Auf insgesamt 128 Seiten stellt das „Bestimmungsbuch der unaussprechlichen Kreaturen“ über fünfzig cthuloide Schrecken vor. Knapp die Hälfte des Bandes wird dabei von Kreaturen aus den Traumlanden eingenommen, die in unserer Wachen Welt eher selten anzutreffen sind. Jede Kreatur wird dabei auf einer Seite umfassend beschrieben – mit optischen Merkmalen, Verhaltensweisen, Vorkommen und Verbreitung – sowie auf einer weiteren Seite umfassen illustriert.

Der Text ist dabei mit einer – für das deutsche „Cthulhu“ – ungewohnt humoristischen Note verfasst. Das Buch präsentiert sich selbst als eine Art Fachbuch, geschrieben von Mythosforschern im Feldeinsatz, die ihr gesammeltes Wissen nachfolgenden Generationen zur Verfügung stellen wollen. Vorworte, wie sie oft in wissenschaftlichen Fachbüchern zu finden sind, sind auch den jeweiligen Texten vorangestellt. Handschriftliche Kommentare anderer Leser lockern den Text auf. Was sich damit nicht in diesem Band findet, sind Spielwerte – die wären in einer solch hochwissenschaftlichen Abhandlung fehl am Platze. Damit wendet sich das Buch auch an eine deutlich breitere Leserschaft, kann es doch Lovecraft-Begeisterte im Allgemeinen ansprechen.

Schlussendlich bleibt mir nur ein Kritikpunkt, der den sehr positiven Gesamteindruck etwas schmälern mag: die etwas willkürliche Auswahl der vorgestellten Monstrositäten. Warum wurde zum Beispiel Cthulhu höchstselbst nicht in den Band aufgenommen? Warum wurden mit Cthoniern und Dholen recht ähnliche Kreaturen ausgewählt, während interessante Konzepte wie Die Farbe aus dem All fehlt? Hier fehlt mir das klar erkennbare Konzept, welche Kreaturen gewählt wurden – schlussendlich dürften es natürlich immer mehr sein.

Fazit: Das „Bestimmungsbuch der unaussprechlichen Kreaturen“ ist eine hervorragende Lesefibel für Lovecraft-Fans und „Cthulhu“-Spielleiter, die ihre Monstren ein wenig näher kennenlernen möchten. Die großartige Bebilderung, das elegante Design und die gehörige Portion Augenzwinkern, mit der die Wesen präsentiert werden, sorgen für einen guten Gesamteindruck. Empfehlenswert.

PS: Diese Rezension erschien ursprünglich auf www.Ringbote.de

Werbung

6 Kommentare zu “Rezension: S. Petersens Bestimmungsbuch der unaussprechlichen Kreaturen

  1. Hochwertig produzierte „coffee table books“ sind natürlich eine Nische für Rollenspielverlage, in der Printpublikationen im Zeitalter der frei vervielfätigbaren Infomationen noch so richtig Sinn ergeben! Deswegen sehe ich dieses Buch auch in erster Linie als Produkt für Liebhaber und weniger als Ressource für Spieler und Spielleiter. Insofern ist auch die Kreaturenauswahl vermutlich zweitrangig.Und naja, die Farbe aus dem All wurde vermutlich außen vorgelassen, weil sie sich nicht passend bebildern lässt – duh! Was Cthulhu angeht, kann man natürlich argumentieren, dass ein Eintrag in einem Bestimmungsbuch überflüssig ist – wer dem begegnet, wird ihn schon erkennen… Außerdem ist er gewiss das meistdargestellte Mythos-Monster, da ergibt es wohl Sinn, diesen Platz anderweitig zu verwenden.

    Generell würde ich sagen, dass es vermutlich falsch ist, dieses Produkt aus spieltechnischer Sicht zu bewerten. Hier sollte die Freude am Schönen im Vordergrund stehen. Ich gehe davon aus, dass dies ein tolles Geschenk (und ja, man kann sich auch selbst etwas schenken) für Lovecraft-Freunde ist; insbesondere in einer Lebenssituation, in der Zeit zum Rollenspielen knapper ist als Geld. Wenn es sich bei jemandem, der auf der Suche nach Spielhilfen ist, umgekehrt verhält, dann braucht er hierfür hingegen gewiss nicht in die Tasche zu greifen.

  2. Bei dem Buch handelt es sich um die Übersetzung des Field Guides, der zur 7. Edition als Kichstarter-Pledge-Goal herausgebracht wurde. Insofern hat die deutsche Ausgabe eher zwei Jahre gedauert, nicht 30 🙂

    Soweit ich weiß, sind die Bilder von den Sans-Detour-Leuten für die aktuelle Chaosium-Ausgabe gemacht worden nicht umgekehrt. Doch da könnte ich mich irren.

    Ansonsten bin ich deiner und Andreas‘ Meinung 🙂

  3. Und so komme ich auf meine fast dreißig Jahre – ich habe vom ursprünglichen Veröffentlichungstermin der Field Guides an gerechnet.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..